die anprobe neuer kleider

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Wir haben doch alle diese Kleidungsstücke, die wir niemals in der Öffentlichkeit anziehen würden. Nicht, weil sie uns nicht gefallen oder wir sie nicht mögen, nein. Sondern weil sie uns peinlich sind und wir nicht genügend Selbstvertrauen besitzen, sie zu tragen.

Ich möchte Dich hiermit auffordern, in den nächsten Tagen einmal etwas anzuziehen, was Du gerne tragen würdest, Dich aber nicht traust. Weil Du Angst vor der Aufmerksamkeit, dummen Sprüchen oder abfälligen Blicken hast – ganz egal, vor was, probiere es einfach aus. Es wird Dir viel besser gehen danach, vertrau mir.

Meine Freundin meinte letztens zu mir, dass sie es cool fände, dass ich meinen eigenen Stil hätte. Ich weiß zwar ehrlich gesagt nicht, was dieser Stil sein soll, aber habe mich trotzdem gefreut. Anscheinend ist es cool, mit Wollsocken in Schuhen herumzulaufen.

Mein letztes Kleidungsstück, das ich mich nicht getraut habe anzuziehen, war eine lockere, weite Hose mit Löchern. Nicht nur mit einem, sondern vielen Löchern, und eigentlich bin ich echt kein Löchertyp. Nicht einmal ein lockerer Hosentyp, weil die mich gefühlt dicker machen, aber ich hatte mir diese Hose irgendwann gekauft, weil sie so gut passte, und nun lag sie zu Hause rum. Zunächst habe ich sie nur im Urlaub getragen und im Zeltlager letztes Jahr in den Sommerferien. Bloß nicht in die Schule anziehen, lautete mein Mantra.

Leider sah meine Waschmaschine das anders, da sie nur einen Monat später zwei Hosen von mir auffraß und ich somit an meinem absoluten Limit war. Mehr als drei Hosen besitze ich nicht und allein drei sind schon ein Wunder. Hieß: ich musste mit diesen Löchern von Hose in die Schule.

War es schlimm für mich? Ja.

War es schlimm für die anderen? Nein.

Ich habe sogar Komplimente bekommen neben der ersten Verwunderung, dass ich eine Hose mit Löchern trug, aber bereits am nächsten Tag hat es niemanden mehr interessiert, ob da jetzt Löcher sind oder nicht. Wieso sollte auch die ganze Welt mit Löchern herumlaufen dürfen, aber ich nicht? Das Problem befand sich allein in meinem Kopf, da es für niemanden sonst ein Problem darstellte.

Seit diesem Vorfall bin ich um einiges mutiger geworden, was meinen Kleidungsstil angeht. Ich bin früher nie gerne aufgefallen, aber seit ich kurze Haare habe, bemerkt man mich in der Menge langhaariger Mädchen eh viel schneller. Da kommt es dann auf mehr oder weniger auch nicht mehr an und Du glaubst ja nicht, für was Du alles Komplimente bekommst. So ungefähr für alles, was sich andere nicht trauen zu tragen, aber insgeheim gerne würden.

Noch nie in meinem Leben bin ich von so vielen Leuten angesprochen worden wie an dem Tag, als ich zum ersten Mal mit komplett kurzen Haaren in die Schule kam. Das war vor exakt zwei Jahren im Februar. Besonders die Mädchen kamen auf mich zu und meinten, wie cool sie meine Frisur fänden und dass sie das ja auch gerne machen würden, aber Angst davor haben, dass es ihnen nicht stehe. Selbst Menschen, mit denen ich nicht viel zu tun hatte, sprachen mich an.

An manchen Tagen weiß ich nicht, woher ich dieses plötzlich aufkeimende Selbstvertrauen nehme, aber: Kleider machen einfach Leute. Frisuren auch. Öfter bekomme ich zu hören, dass ich total taff aussehen würde und es für die Menschen ein Zeichen von Selbstvertrauen wäre, sich die Haare kurz zu schneiden. Da muss ich mir das Lachen doch immer sehr verkneifen, da ich nicht gerade der Inbegriff von Selbstvertrauen bin, aber fühle mich natürlich auch geschmeichelt. Wenn ich schon so stark aussehe, wieso sollte ich es nicht auch sein? Wieso sollte ich mich kleiner machen, als ich bin? Wieso nicht die Klamotten tragen, die ich gerne tragen möchte?

Somit kann ich Dir nur ans Herz legen: bitte lass Dich nicht von der Meinung anderer oder noch viel schlimmer, den Horrorszenarien in Deinem Kopf, die Dein Gehirn sich ausdenkt, abhängig machen. Meine Therapeutin hat immer gesagt: „Was ist denn so schlimm daran? Es interessiert schlussendlich nicht halb so viele Menschen, wie Du glaubst. Probiere es doch einfach aus und schau', was passiert."

Würdest Du das für mich tun? Einen Tag den vermeintlichen Ängsten ins Gesicht blicken und schauen, was passiert, wenn Du Dich ihnen stellst. Denn die Welt wird nicht aufhören, sich zu drehen, und Du wirst nicht aufhören zu atmen. Sternenehrenwort.

Um zu etwas ganz anderem zu kommen: ich wurde in letzter Zeit mehrmals gefragt, ob ich meine Meinung zu einigen bestimmen Themen teile. Daher kam mir die Idee, einfach ein Kapitel zu machen, in das ich alle Themen stecke und kurz auf das jeweilige eingehe, bevor die Sache ausartet und zu lang wird. Wobei es eh lang werden wird, es bin schließlich ich.

Wenn Dir also noch etwas einfallen sollte, zu dem Du gerne meine Meinung oder Denkweise wissen wollen würdest (ach, wie ich so Aneinanderreihung liebe), schreib's doch einfach in die Kommentare.

Und jetzt schnell unter die Kuscheldecke mit einer heißen Tasse Tee, dem eiskalten Winterwind entfliehen und sich in seine Traumwelt träumen. Alliterationen haben es mir heute besonders angetan, wie schön.

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Du.Where stories live. Discover now