Ab morgen war mein Leben also vorbei.
Schuld an allem gebe ich unter anderem dem ZDF. Weil der Sender gefühlt jeden Sonntag eine neue Schnulze von Rosamunde Pilcher ausstrahlt und somit die Vorstellung meiner Mutter was eine perfekte Beziehung betrifft maßgeblich getrübt hat. Ich konnte gar nicht mehr zählen wie viele Sonntagabende ich damit verbracht hatte, diese Schnulzen, anstatt dem Tatort anzusehen. Und dann am nächsten Tag total uninformiert gewesen war, wenn sich meine besten Freunde Anna und Tim über die verworrene Tätersuche der Kommissare unterhielten.
Dafür wusste ich aber, dass Milly Tristan nur umarmte und küsste, weil sie sich bei ihm bedanken wollte, dass er die OP ihres kleinen Bruders bezahlte. Phillip bekam das natürlich nicht mit und für ihn brach deshalb eine Welt zusammen. Und das obwohl er erst viel zu spät gecheckt hatte das er in Milly verliebt war.
Aber naja das mit der Liebe checkten die eh immer viel zu spät oder sie verliebten sich sofort in der ersten Sekunde ineinander. Ist im Prinzip aber auch egal, denn am Schluss bekommen sich die beiden Verliebten sowieso und die, die davor noch unglücklich verliebt waren, verliebten sich in jemand anderen und wurden glücklich.
Ach ja und dann erfuhren die, die bisher noch arm waren, dass sie die Kinder oder Enkelkinder von irgendwelchen Lords waren und alle ihre Probleme waren gelöst. Dass man die Story von Anfang an durchschaute, war meiner Mutter egal und so wartete sie immer noch darauf, dass der gutaussehende Prinz auf dem weißen Pferd daher geritten kam und sie mit auf sein Schloss nach Cornwall oder so nahm.
Allerdings sollte gerade meiner Mutter klar sein, dass so etwas im echten Leben nie passieren würde.
Ein Wochenendtrip mit Anfang zwanzig nach Berlin endete damit, dass neun Monate später ich geboren wurde. Blöd war nur, dass sie nicht mehr wusste wie der Typ hieß mit dem sie geschlafen hatte und sie mich deshalb alleine groß zog. Das hört sich jetzt vielleicht an, als hätte ich ein blödes Leben ohne Vater geführt, aber dem war eigentlich gar nicht so. Die ersten paar Jahre lebten wir bei meinen Großeltern während Mum Jura studierte, später zogen wir aus und lebten seit dem in einem kleinen Häuschen. Ich war mit der Gesamtsituation zufrieden, schlechte Tage hatte jeder einmal.
Doch zu meinem 17. Geburtstag vor ein paar Monaten eröffnete mir Mum folgendes:„Schätzchen, wir werden auswandern! Nach England!" sie strahlte mich an und ich verschluckte mich an dem Stück Kuchen, dass ich mir gerade in den Mund geschoben hatte. Im ersten Moment dachte ich, sie wollte mal wieder witzig sein, was ihr meistens nicht so gelang. Aber ein Blick in ihre Augen genügte und ich wusste, dass sie das was sie sagte ernst meinte. Der Schock saß zu tief um reagieren zu können und sie erklärte einfach, dass wir am Ende der Sommerferien nach Canterbury ziehen würden, denn dort lebte ihre beste Freundin Linda. Zusammen mit der hatte sie nach dem Abi England bereist. Also genau das Jahr, bevor sie schwanger wurde. Linda hatte sich dort verliebt und war nach ein paar Monaten Fernbeziehung dorthin umgezogen.
Zuerst versuchte ich noch diplomatisch vorzugehen: „Aber ich hab nur noch ein Jahr bis zum Abi, da kannst du mich doch nicht einfach aus meinem gewohnten Schulsystem reißen!" Schule war schließlich super wichtig und machte einen großen Teil in meinem Leben aus. Gleich nach Freunden, Feiern, shoppen, Fernsehen, Internet, Musik,... äh nein hören wir damit auf. Schule war nicht unbedingt das wichtigste für mich, aber meine Mutter war schließlich für meine Erziehung zuständig und daher musste ihr das einfach wichtig sein! Dachte ich zumindest, denn Mum sah das anders: „In Canterbury gibt es eine sehr angesagte Privatschule, die daran interessiert wäre dich aufzunehmen. Wenn du einen Abschluss von dort hast, wirst du mir dein ganzen Leben lang dafür danken!"
Oh klasse, Privatschule in England klingt doch schon nach wilden Partys und heißen Jungs...
Auch meinen zweiten Kritikpunkt, dass ich alle meine Freunde zurücklassen müsste wies sie ab: „In England findest du bestimmt bald neue Freunde und außerdem gibt es heute ja Internet und Handy, da kann man ganz leicht in Verbindung bleiben. Du hängst eh den ganzen Tag vor deinem Smartphone oder dem Laptop rum, ob Anna da jetzt vier oder vierhundert Kilometer weg ist tut da nichts zur Sache."
Es war nichts zu machen, meine Mutter blieb bei ihrer Entscheidung und das obwohl ich wirklich nichts unversucht ließ. Erst sprach ich nicht mehr mit ihr, was für mich als sehr kommunikativer Mensch schon schwierig war. Dann lernte ich einfach nichts mehr, was mir schlechte Noten und Hausarrest einbrachte und Mum mich damit erpresste nicht mit nach Mallorca zu dürfen, wenn ich nicht einen gewissen Schnitt erreichen würde. Der Erziehungsstil meiner Mutter lief sowieso immer darauf hinaus, dass ich erpresst wurde, wobei sie sonst wenigstens locker drauf war. Aber naja sie führte sich selbst ja auch gerne noch wie ein Teenager auf. Welche Erwachsene, logisch denkende Frau würde ihr kleines Töchterlein schon aus ihrer gewohnten Umgebung reißen nur um nach England zu ziehen. Wo es immer regnete und die Leute nur Zeug aus der Tiefkühltruhe aßen.
Und ab jetzt würde ich, Charlott Grimm Teil dieses Lebens sein...

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Englisch für Anfänger
HumorCharlotts Leben wird durch einen Umzug nach England auf den Kopf gestellt. Im verregneten England angekommen raubt ihr nicht nur der dort herrschende Linksverkehr sondern auch Prince Charming alias Henry die Nerven. Und das alles nur, weil sich ihre...