Mama

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Nico
Das Weltall ist so ein geheimnisvoller Ort. Die Menschen sind zwar schon auf dem Mond gewesen, doch wissen sie wirklich alles über den Weltraum? Wissen sie wer noch mit uns in dieser Galaxie lebt? Sie denken teilweise auch, dass es keine Götter gibt. Vielleicht gibt es da noch eine weitere Existenz von der wir nichts wissen.
Was ich schon immer am Weltall gemocht habe, ist die Tatsache, dass der Abendhimmel, egal wo auf der Welt man gerade ist, immer derselbe ist. Es gibt immer den Mond und die Sterne. Das hat mir irgendwie schon immer Halt gegeben. Früher als kleiner Junge habe ich mit den Sternen geredet als ich einsam war, heute rede ich mit den Toten.
„Was machst du denn hier oben?"
Mein Blick löst sich von den Sternen und ich setze mich auf. Ich sehe zur Dachluke und ziehe die Decke, auf der ich eben noch gelegen habe, über meine Schultern. Ihr Haar glänzt im Mondschein, ihre Augen funkeln mich sogar in der dunklen Nacht an.
„Die Frage kann ich nur zurückgeben."
Ich höre sie lachen, durch ihre Schritte vernehme ich, dass sie zu mir kommt. Der Wind fährt durch mein Haar und mein T-Shirt, irgendwo neben uns auf dem Dach höre ich Vögel. Sie setzt sich neben mich und lässt ebenfalls die Beine von der Dachkante baumeln. „Was ist wenn wir runterfallen?"
Ich zucke mit den Schultern.
„Du würdest uns heilen. Und notfalls ist Will auch nicht weit."
„Wir wissen ja alle, dass Will alles dafür tut, dich am Leben zu behalten."
Ich schmunzle. Das ist wahr. Will hat es sogar geschafft, mich aus dem Reich der Toten zurückzuholen. Kalypso boxt mich gegen den Oberarm.
„Also, raus mit der Sprache. Was machst du hier oben?" „Es ist Vollmond"
Ich sehe zum Mond hinauf, der uns helles Licht spendet.
„Und? Bist du neuerdings zum Werwolf mutiert und heulst jetzt den Mond an?"
Wir lachen beide, dann biete ich ihr etwas von meiner Decke an. Die Tochter des Atlas legt sie sich dankbar um die Schultern.
„Nein, am Vollmond bin ich den Toten am nächsten. Ich kann nicht schlafen, da sie mich im Schlaf heimsuchen." Sie sieht mich an.
„Auch deine Mutter?"
Stumm nicke ich. Um den Kloß in meinem Hals loszuwerden, entgegne ich dann doch noch etwas.
„Es ist schlimmer geworden, seit Will mich aus dem Reich der Toten zurückgeholt hat. Die Barriere zwischen Tot und Leben ist für mich deutlich dünner geworden."
„Was passiert wenn die Barriere durchlässig wird?" „Ich weiß es nicht."
Ich weiß es wirklich nicht. Es könnte alles passieren. Das gehört zu den Dingen, die ich nicht weiß.
„Es wird schon nichts passieren, vielleicht muss dein Körper sich erst wieder richtig rehabilitieren. Es ist bestimmt nicht so einfach, wieder lebendig zu werden."
Kalypsos warmes Lächeln gibt mir tatsächlich Hoffnung. Seufzend sehe ich zurück zur erleuchteten Stadt, die wir, aufgrund der Anhöhe auf der sich das Haus befindet, perfekt überblicken können.
„Sie wissen alle nichts über uns. Sie wissen nicht, was wir teilweise durchmachen."
„Auch Sterbliche haben mit schweren Schicksalen zu kämpfen."
Ich sehe die hübsche Titanentochter an. „Natürlich. Auch die Sterblichen haben ihre Kriege, ihre Katastrophen und ihre Hungersnöte. Doch die da unten..."
Ich zeige auf die erleuchteten Häuser.
„Die da unten denken doch größtenteils, dass ihr größtes Problem der starke Verkehr oder der fiese Chef sind. Es gibt Leute, die sterben auf der Welt und dann gibt es Leute, die sich mit solchen belanglosen Themen in den Vordergrund schieben."
„Ich glaube das wird leider immer so sein."
Ich schnaube verärgert.
„Meine Arbeitskollegen beschweren sich wegen jeder Kleinigkeit. Ich würde gern wissen, was sie machen würden wenn sie das Leben einer Frau in Afghanistan oder vielleicht sogar unser Leben hätten. Zum Hades, ich bin gestorben, habe eine Zeit lang im Reich der Toten verbracht, habe den Tartarus durchquert. Darüber, darüber kann man meckern."
Kalypso legt den Arm um mich.
„Wir werden irgendwann eine friedliche Zukunft haben, Nico." Ich sehe sie an.
„Weißt du es, Kalypso?"
Unter meinem durchdringenden Blick verschwindet ihr Lächeln.
„Ja, ja ich weiß es. Ich weiß es schon lange."
„Wie kannst du damit leben?"
Sie zuckt mit den Schultern.
„Keine Ahnung. Ich tue es einfach. Ich hab schon so viele Leute sterben sehen, irgendwann kann man deswegen keine Trauer mehr empfinden, denke ich."
Ich schüttle den Kopf.
„Das ist nicht wahr. Du liebst die beiden, ihr Tod würde dich genauso mitnehmen wie der von Leo."
In ihren Augen erkenne ich leichte Tränen.
„Ich liebe sie, ja das tue ich. Ich weiß nicht, warum ich es kann. Ich weiß, dass sie es für ihre Kinder tun. Vielleicht ist es die Liebe, die sie für ihre Kinder empfinden, die mich davon überzeugt, dass ich die beiden nicht aufhalten sollte."
Wut steigt in mir auf, Verzweiflung.
„Die beiden sind auch meine Familie. Sie können mich nicht allein lassen."
Ich bin so überrascht darüber, was ich grade gesagt habe, dass ich peinlich berührt auf meine Hände starre. Kalypsos blickt mich kurz an, dann antwortet sie.
„Sie lassen dich nicht alleine, Nico. Du bist bei uns, bei Will und allen anderen, die du liebst. Und sie sind immer in deinen Herzen, das weißt du."
Sie zeigt mit ihrem Finger auf meine Brust.
„Tut mir leid, ich weiß nicht, warum ich das gesagt habe."
Ich will mein Gesicht von ihr abwenden, doch Kalypso legt ihre Hand an meine Wange und dreht es seicht wieder zurück. 
„Ich weiß es. Sie waren die ersten, dich sie richtig um dich gekümmert haben. Sie waren wie Eltern für dich. Es ist verständlich, dass du enttäuscht bist."
Ich lasse meinen Kopf auf Kalypsos Schulter sinken.
„Ich will einfach nicht so mit ihnen reden müssen, wie mit allen anderen Geistern. Ich hab lang genug mit meiner Schwester so kommuniziert."
„Ich glaube fest daran, dass alles gut werden wird."
„Wie kannst du so optimistisch sein?"
Sie zuckt mit den Schultern.
„Ich war über Äonen auf einer Insel gefangen und so viele Male wurde ich enttäuscht. Doch ich habe nie meine Hoffnung verloren. Sieh dir an wo ich jetzt bin. Ich bin frei, habe eine Familie und einen Mann, der mich liebt. Deine Schwester ist auch zurückgekommen, Nico. Nach ihrem Tod warst du verzweifelt, doch jetzt hast du sie wieder, hast Will und eine liebende Familie. Auch dein Leben hat sich zum Guten gewendet. Warum soll es das nicht wieder tun?" Nachdenklich schweift mein Blick wieder zu den Sternen. Vielleicht hat sie recht, vielleicht auch nicht. Ich weiß jedenfalls, dass nur das Schicksal den Tod von Percy und Annabeth verhindern kann, die beiden werden sich nicht von ihrem Plan abbringen lassen. Doch das Schicksal, das Schicksal steht in den Sternen.

Percy Jackson| Das prophezeite Kind Where stories live. Discover now