Abhängig

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Percy
Ich schrecke schreiend aus dem Schlaf. Annabeth schlingt ihre Arme um mich.
,,Psst, es ist alles in Ordnung. Alles ist gut."
,,Er hat sie, er hat Divan und Sophia."
Annabeth drückt mich noch enger an sich, damit ich aufhöre, um mich zu schlagen.
,,Deine Kinder liegen in ihren Betten und schlafen. Du bist vor fünf Minuten noch bei ihnen gewesen, weil die Windel von Divan gewechselt werden musste. Es ist alles gut." Langsam beruhige ich mich, klammere mich an Annabeths Arm.
,,Ein Albtraum ", flüstere ich. ,,Genau, es war nur ein Traum." Mein Atem geht schwer. Panikattacken, die habe ich lange nicht mehr gehabt. Meine Kinder, meine Kinder, meine Kinder...
,,Percy, beruhige dich!" ,,Wie soll ich mich beruhigen! Meine Kinder sind der Schlüssel zur endgültigen Zerstörung von Kronos!"
Annie streicht mir wieder übers Haar. ,,Wir werden das ändern, wir werden sie aus der Sache raushalten. Das verspreche ich dir Percy." Ich seufze. Wie kann Annabeth so ruhig bleiben?
,,Wie denn? Wir haben alles ausprobiert. Nur sie konnten den Stein zerstören und die beiden haben ihn bloß angefasst." Annie lacht leise. Was?
,,Percy, Rachel kümmert sich darum. Sie versucht alles herauszufinden. Wir werden alles stoppen." Ich sehe sie an, ihre Augen sind nicht klar. Ich lege ihr eine Hand auf die Wange und seufze. ,,Annabeth?"
,,Hmm?" Sie legt den Kopf schief, ihr Haar sieht dadurch aus wie ein Wasserfall.
,,Auf welchen Drogen bist du?"
Wieder lacht sie, deutet auf den Nachtschrank.
,,In der Schublade." Ich beuge mich vor, öffne die Schublade und hole die Packung heraus.
,,Beruhigungsmittel. Schon wieder, Annie?"
Sie zuckt mit den Schultern. Es mag ihr Geheimnis sein, doch ich habe es natürlich herausgefunden. Sie greift gerne mal zu den Tabletten, während andere lieber zur Pulle greifen. Sie macht es, sobald wieder etwas schlimmes passiert ist. Die Prophezeiung, Nicos Tod und jetzt das. Als ich sie das eine Mal erwischt habe, habe ich sie zur Rede gestellt. Warum nicht Alkohol, warum gleich Drogen? Ich will einen klaren Kopf bewahren. Für mich damals eine eindeutig dumme Begründung. Doch jetzt weiß ich, wie sie es gemeint hat. Annabeth ist dabei neben ein paar Aussetzern immer klar. Sie hat genug Kontrolle, kann immernoch hilfreich sein. Alkohol setzt uns total aus. Nach viel Alkohol vergessen wir. Davor hat sie Angst.
,,Du musst damit aufhören, Annie. Wie soll das enden?"
,,Ich konnte nicht schlafen.", murmelt sie. Ihre Stimme ist eigenartig. Ich starre auf die Packung in meinen Händen. 3...6. Gestern waren es noch 9.
,,Annabeth Jackson, du hast zu viele Tabletten genommen!"
Sie schüttelt nur lachend den Kopf. ,,Mir geht es gut." Ich lege die Tabletten auf den Nachttisch zurück. Es muss aus ihrem Körper. Ich erinnere mich an das Gespräch mit Kalypso. Die Tabletten sind gefährlich. Sie müssen raus. Spätestens zwei Stunden nach der Einnahme. Du musst sie zum Erbrechen bringen. Eine Träne läuft meine Wange herunter. Ich sehe auf die Uhr. Ich bin tatsächlich erst vor zwanzig Minuten zu meinem schreienden Sohn gegangen. Als ich da war muss sie die Tabletten genommen haben.
,,Komm Annabeth." ,,Wo gehen wir hin, Perc?" Ich nehme ihre Hand. ,,Wir sorgen dafür, dass es dir wieder besser geht."

Ich schließe die Badezimmertür hinter uns ab.
,,Was machen wir hier?"
Sie zieht die Hände in ihre Ärmel hinein, sieht mich verwirrt an. Ich räuspere mich.
,,Wir... du...." Sie lächelt plötzlich verschmitzt. ,,Ach, nehmen wie eine Dusche?" Sie beginnt bereits damit, ihr Oberteil auszuziehen.
,,Nein, hör auf. Deswegen sind wir nicht hier." Sie hört nicht auf mich , macht weiter.
,,Annabeth, lass den Pullover an!" Sie zieht eine Augenbraue hoch.
,,Wir sind verheiratet, Percy. Tue nicht so, also ob du das noch nie gesehen hättest. Es gehört alles dir." Ich balle die freie Faust. ,,Hör mir zu, wir sind nicht deswegen hier." ,,Weswegen dann?"
,,Knie dich vor das Klo."
,,Percy...." ,,Mach schon!"
Sie sieht mich erschrocken an, tut aber da, was ich ihr gesagt habe. Ich gehe zu ihr, stelle die Flasche auf den Boden und klappe den Klodeckel nach oben. ,,Jetzt musst du dich übergeben." ,,Was?" Eine Träne rollt wieder über meine Wange. ,,Die Drogen müssen aus deinem Körper." Sie schüttelt den Kopf. ,,Mir geht es gut." ,,Nein, du kannst nicht mehr klar denken. Du bist nicht du." ,,Oh doch , ich bin Annabeth, deine Annabeth." ,,Du könntest jemandem schaden." ,,Nein, ich bin komplett ungefährlich."
,,Jetzt hör mir mal zu. Ich sehe mir das schon länger an. Du magst klar sein, doch trotzdem bist du unberechenbar, wenn du deine Aussetzer hast. Du hast fast Sophia fallenlassen, weil du dein Gleichgewicht verloren hattest." ,,Ich..."
,,Übergib dich einfach, Annabeth. Du hast es schonmal gemacht. Ich habe dich gehört, du hattest ein schlechtes Gewissen. Also kannst du es nochmal."
Wieder schüttelt sie den Kopf, greift aber den Rand der Toilette.
,,Ich kann das nicht." Ich stöhne. ,,Erinnerst du dich daran, wovon du immer brechen musstest?"
Sie braucht lange. ,,Tomatensaft, deswegen kann ich Bloody Marry nicht ab." Du kannst das, Perseus. Ich hebe die Flasche blitzschnell hoch, drehe den Deckel ab und halte sie dann an Annabeths Mund. ,,Jetzt trink."
Ihre Augen füllen sich mit Tränen. Als sie würgt, nehme ich die Flasche weg. Tatsächlich, sie übergibt sich. Allerdings landet nur die Hälfte im Klo, der Rest auf ihr. Sie hustet.
,,Ich hasse dich." Dann würgt sie wieder.
,,Tust du nicht. Ich bin dazu gezwungen, das weißt du."
Sie fängt an wütend zu schreien. Wir sind unten im Bad, die Zwillinge werden uns nicht hören. ,,Annabeth, du musst nochmal trinken." Weinend schüttelt sie den Kopf. ,,Annabeth, bitte."
Ihr Anblick zerstört mein Herz. ,,Bitte. Tu es für deine Kinder."
Sie schließt kurz die Augen. Annabeths vernünftige Seite muss unbedingt wach werden. Dann öffnet sie plötzlich den Mund.
,,Dann tu es."
Ich setze wieder die Flasche an, diesmal vorsichtiger.
,,Es tut mir so leid, Annie." Es dauert lange, sie hängt lange würgend über der Kloschüssel. Es tut mir weh. Ich nehme ihre Hand, die allerdings nicht mehr ganz sauber ist.
,,Du hast es fast geschafft." Dieses Mal nimmt sie nicht die Flasche. Sie bringt sich selber dazu. Zitternd sitzt sie auf dem Boden, leidet. Ich streiche ihr das Haar zurück. ,,Es tut mir so leid."
Irgendwann sieht sie mich an. Ich sitze wie ein Häufchen Elend neben ihr, schäme mich. ,,Percy?"
Ihre Stimme zittert.
,,Es tut mir leid ", flüstere ich.
,,Hey, alles ist gut, du hast mir geholfen." Dass sie noch weint, macht mein schlechtes Gewissen nicht besser. ,,Annabeth...", setze ich an, doch sie unterbricht mich. ,, Ich habe mich vollgekotzt."
Angewidert sieht sie an sich herunter, zu der beschmierten Hand, die ich nochimmer halte.
,,Wie kannst du mich ansehen oder anfassen?" 
,,Du bist meine Frau und ich liebe dich. Du bist immernoch schön, ich werde meinen Blick nie von dir abwenden können."
Sie lächelt traurig, zittert am ganzen Körper. ,,Ich bin widerwärtig." ,,Nein" Ich hebe sie hoch. ,,Ich werde dich jetzt waschen, okay?" Sie nickt und wischt sich übers Gesicht.  Ich trage sie zur Badewanne und setze sie hinein. Dann stelle ich das Wasser an. Annabeth zuckt zusammen. ,,Ich bin eine schlechte Mutter, ein schlechter Mensch." Vorsichtig schöpfe ich etwas Wasser und lasse es über Annabeths Haar laufen. ,,Bist du nicht, du bist bloß gebrochen." ,,Ich habe aber kein Recht dazu." Ich ziehe ihr vorsichtig das Oberteil aus und streiche vorsichtig über ihre Haut. ,,Du bist ein Halbgott, eine Göttin- natürlich hast du jedes Recht dazu." Sie schluchzt. ,,Du doch auch. Trotzdem bist du stark. Du hältst es aus." ,,Annie..." ,,Nein, du hättest jeden Grund dazu, am Abgrund zu sein.  Soll ich es dir aufzählen? Ein aggressiver Stiefvater, die Entführung deiner Mutter, die etlichen Tode, bei denen du zugesehen hast, die Hölle, Alaska..." ,,Ich bin gebrochen!"
Annabeth zuckt erschrocken zusammen. Sofort drossle ich meine Lautstärke wieder.
,,Entschuldigung. Ich wollte nur sagen, dass ich durchaus gebrochen bin. Ich kann nicht schlafen, habe Panikattacken, Halluzinationen. Verdammt, ich habe in letzter Zeit so viel Alkohol getrunken, meine Leber dürfte mich mittlerweile hassen. Nein, Annabeth, auch ich habe mein Leben nicht im Griff. Aber ich würde es nie wagen, das meinen Kindern gegenüber zu zeigen."
Vorsichtig ziehe ich Annabeth auch ihre Hose aus, sie ist überall voller Erbrochenem.
,,Du bist sauer auf mich."
,,Nein, bin ich nicht. Ich möchte nur, dass du mir eins sagst. Bei der Geschichte, die du erzählt hast, mit Sophia..." ,,Ja" Neue Tränen.
,,Ich war auf Drogen, ja. Nicos Tod hatte mich wirklich mitgenommen. Du warst weg, ich konnte nicht anders. Ihre Schreie, genau da muss ich einen Aussetzer gehabt haben. Ich konnte nicht, ich konnte ihr nicht helfen. Ich bin erst wieder richtig klar gewesen, als du an dem Abend aus der Dusche gekommen bist." Ich habe es gewusst, es war irgendwie klar. Als ich an dem Abend nachhause kam, wirkte sie seltsam. Kräftig drücke ich auf die Shampooflasche.
,,Jetzt kannst du mich nur hassen."
,,Nein, ich liebe dich trotzdem. Das wird sich auch nie ändern. Aber du verstehst doch, dass wir dir helfen müssen, oder?"
Weinend und schniefend sieht sie mich an. ,,Ich schäme mich. Ich kann keine professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Ich habe Arbeit, wir sind Vorbilder für fast alle Camper. Wir müssen es geheimhalten, bitte." ,,Okay"
Da auch ihre Unterwäsche komplett dreckig ist und stinkt, helfe ich ihr auch da raus. ,,Ich bin ekelig." ,,Du hast mehrere Minuten in deinem eigenen Erbrochenen gesessen, aber es geht darum, dass es dir besser geht." Vorsichtig bringe ich das Wasser dazu, das Shampoo aus ihren Haaren zu spülen.
,,Annabeth, dir ist doch klar, dass ich dir die Tabletten wegnehmen werde, oder?" Sie schluckt. ,,Ja, natürlich."  Ich stelle das Wasser ab und nehme ein großes Handtuch vom Beistellschrank. Ich breite es auf. ,,Komm her." Sie steht auf, ich schlinge meine Arme samt des Handtuches um sie. ,,Hör mir zu, es wird alles gut werden. Jeder hat mal seine schlechten Zeiten. Aber das Wichtigste ist, dass ich dir immer zur Seite stehen werde. Ich werde dich unterstützen. Undzwar, weil ich dich liebe." Annabeth sieht zu mir auf. ,,Ich liebe dich auch."
Da Annabeth immernoch so wirkt, also ob sie keine großzügigen Bewegungen machen könnte, trage ich sie zurück ins Schlafzimmer. Ich helfe ihr dabei ihre Schlafsachen anzuziehen und föhne ihr dann die Haare. Annie zittert am ganzen Körper, sie ist ein Häufchen Elend. Genauso fühle ich mich. Dann lege ich sie ins Bett und decke sie zu. ,,Jetzt schlaf bitte." Sie nickt nur, dann ist sie auch schon eingeschlafen.
Nachdem ich das Bad gesäubert, Annabeths Kleidung in die Wäsche getan und nochmals nach den Zwillingen gesehen habe, sitze ich nun unten im Wohnzimmer. Ich starre auf meine Hände. Warum können wir nicht mal unsere Ruhe haben? Warum hassen uns die Schicksalgöttinen nur? Warum? Die Collegezeit war so gut, wir waren so glücklich. Dann kam das Gruppentreffen. Nur deswegen sind wir nun hier. Uns wäre so viel  Leid erspart geblieben. Sicher, vieles gutes wäre ebenfalls nicht passiert, aber ist es das wirklich wert? Ich brauche jemanden zum reden. Grover? Nein, der ist im Camp, mit seiner Familie. Er hat auch kein Auto. Jason? Ich glaube Piper braucht ihn jetzt. Frank und Hazel haben eindeutig Redebedarf. Und Will hat jetzt ganz sicher Zeit mit Nico verdient. Ich weiß! Ich wähle die Nummer und sehe auf die Uhr. 4Uhr. Die Nachtschicht ist vorbei. Es dauert nicht lange.
,,Kalypso Valdez, mit wem spreche ich?"
Ich lache.
,,Kalypso Valdez? Hab ich was verpasst?"
,,Percy. Ist dir noch nie aufgefallen, dass ich keinen menschlichen Nachnamen habe? Ich benutze Leos schon seit langem. Wenn Fremde fragen, heiße ich Valdez. Und da ich gerade im Auto bin, konnte ich nicht nachgucken, wer anruft. Also, was gibts?" 
,,Würdest du kurz vorbeikommen? Es geht mir gerade nicht so gut und ich kann das Haus nicht verlassen."
,,Ich bin die einzige, die Zeit hat, nicht wahr?" ,,Auch aus einem anderen Grund." ,,Fein, ich komme vorbei. Ich bin ohnehin in eurer Nähe. Bin gleich da."

Percy Jackson| Das prophezeite Kind Where stories live. Discover now