Bleib bei mir

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Lyla

Erschöpft von dem langen Tag, saß ich nun in meinem Bett und konnte das erste Mal richtig durchatmen. Diese ständigen Korrekturen meines gesamten Verhaltens waren doch ziemlich anstrengend. Zudem musste ich alles, was ich schon einmal erlernt hatte, vergessen und ganz von vorne anfangen, um schlussendlich perfekt zu sein. Obwohl dies nie geschehen würde. Ich würde meine Eigenschaften nie vollkommen unterdrücken können. Vor allem die nicht die, die mir immer wieder Schwierigkeiten beschafften. Dazu war ich einfach nicht bestimmt.

Mich anzupassen schien nicht meine größte Stärke zu sein. Es gab oft Situationen, in denen ich am liebsten widersprechen oder etwas unpassendes erwidern würde. Doch ich hielt mich zurück. Auf Dauer musste ich jedoch lernen, das meine Ansprüche nicht den Ansprüchen des Königs entsprachen. 

Matthew hatte ich seit meiner Ankunft nicht mehr zu Gesicht bekommen. Es schien beinahe so, als würde es stets vermieden werden, mich ihm zu präsentieren, solange ich noch nicht vollständig ausgebildet wurde.

In meinen Augen war das Unfug. Wie sollte er mich besser kennenlernen, wenn man mich bewusst von ihm fernhielt. Ich wusste nicht viel über ihn, außer, dass er eine wilde Seite an sich hatte, die ich schon bewundern durfte. Damals in der Stadt, aber auch am Flussufer, als er neben mir aufgetaucht war.

Zudem wirkte Matthew charmant und wahnsinnig leidenschaftlich, bei allem, was er tat. Das gefiel mir durchaus. Doch seine anderen Seiten blieben mir vorerst noch verborgen. Aber ich würde schon noch dahinter kommen, was seine Schwächen sind und wie ich vielelicht davon profitieren konnte.

Kaum einen Moment nachdem man mich allein gelassen hatte, klopfte es an der Tür und Miranda trat mit zwei jungen Frauen ein. Seufzend erhob ich mich und setzte eine höfliche Miene auf, ehe das Gemecker wieder losging.

"Lyla, darf ich vorstellen", begann Miranda und machte eine Handbewegung, um meine Aufmerksamkeit auf die Mädchen hinter ihr zu lenken. "Das sind deine Zofen, Magdalena und Gabriella" Neugierig betrachtete ich die beiden Bediensteten, wie sie schüchtern den Blick senkten und knicksten. Ich bekam also nun die ersten Zofen zugeteilt. Interessant. Zuvor waren es jeden tag andere Mädchen gewesen - oder eben Louise.

"Zu Euren Diensten, Mylady", kam es im Einklang von ihnen. Überrascht hob ich die Augenbrauen. Dieses Verhalten war mir zwar nicht mehr so fremd, wie noch vor einigen Wochen, doch daran gewöhnt hatte ich mich noch lange nicht.

Ich versuchte es mit einer freundlichen Begrüßung:" Es ist schön, eure Bekanntschaft zu machen" Während die Mädchen eintraten und mich nach meinem Befinden fragten, verließ Miranda meine Gemächer und schloss die Tür hinter sich.

Somit blieben wir drei zurück.

"Wünscht Ihr etwas, Mylady?", fragte das Mädchen, welches mir als Magdalena vorgestellt wurde, mit leiser Stimme.

Mir fiele da so einiges ein, dachte ich spöttisch. Ich würde einfach gerne raus. Raus aus diesem Zimmer, raus aus diesem Schloss und raus aus diesem Leben.

Natürlich müsste ich mich freuen, dass es meiner Familie nun nach Jahren des Leidens endlich besser erging. Sie waren nun in den Adelsstand erhoben worden - wenngleich auch in einen sehr niedrigen - sie wurden rundum versorgt und lebten ohne mich weiter, als wäre nichts gewesen.

Sie fehlten mir ganz fürchterlich.

"Eine Sache wäre da schon", bemerkte ich, während ich so vor mich her grübelte. "Gestattet ihr mir, dass ich euch Ella und Lena nenne? Ich habe eine Schwäche für lange Namen"

Es entsprach der Wahrheit: Namen zählte nicht zu meinen Stärken. Zuvor war ich wirklich froh gewesen, nicht allzu viele Menschen gekannt zu haben. Und all die, die ich kannte, sah ich so oft, dass ich ihre Namen auch gar nicht vergessen konnte.

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