Nachdem ich gewaschen vom Fluss komme, esse ich etwas von der Suppe die von den Frauen gekocht wurde. Sie ist nicht wirklich gewürzt, doch daran habe ich mich bereits gewöhnt. Zuletzt nehme ich mir mein zustehendes Stück Brot und gehe zu meinem Zelt. Durch meine Abwesenheit ist es sehr ausgekühlt. Mit klammen Finger schaffe ich es zu meiner Verblüffung relativ schnell ein Feuer zu machen. Endlich will ich mich etwas entspannen, als das Stück Leder vom Eingang zur Seite gerissen wird und eine gut gelaunte Naira erscheint. ,,Naira dankt Mira für ihre Hilfe", sagt sie und setzt sich neben mich.
,,Kein Problem. Sind viele krank?" ,,Es sind ein paar dazu gekommen, aber wegen der Heilmittel geht es ihnen bald besser." Ich schmeiße einen Stock ins Feuer. ,,Wie war es mit Winnetou?" Überrascht sehe ich sie an. ,,Wie soll es gewesen sein?" ,,Naira weiß ganz genau, was Mira für ihn fühlt. Und Naira weiß auch was Winnetou fühlt", antwortet sie und grinst.
,,Was soll er schon für mich fühlen. Ich bin ein dahergelaufenes Mädchen, welches keine Ahnung von den Tätigkeiten hier hat, die Sprache nicht gut beherrscht und komplett anders aussieht."
,,Das ist Winnetou egal. Er möchte keine einfache Apachin." ,,Naira wie soll das funktionieren. Selbst wenn Winnetou Gefühle für mich hat wird er sie niemals zeigen, geschweige denn dein Vater oder jemand anderes vom Stamm würde es akzeptieren."
,,Wieso denkt Mira so?" ,,Es gibt hier klare Regeln. Und Winnetou ist der Sohn des Häuptlings, er soll jemanden heiraten der seine Liebe verdient hat." ,,Meinst du damit Dibe oder Halona? Naira will nicht schlecht über sie reden, doch sie wollen ihn, weil es eine Ehre ist mit dem zukünftigen Häuptling vermählt zu sein."
,,Wieso bist du dir so sicher?"
,,Winnetou redet mit Naira. Ich bin seine Schwester. Er redet oft über dich. Glaubt Mira wirklich es war Zufall, dass ich Winnetou mitgeschickt habe? Ich hätte ebenso Cheveyo oder Guyapi mitschicken können."
,,Gegen dich hab ich keine Chance oder?" Sie fängt wieder an zu grinsen. ,,Mira soll sich auf ihn einlassen. Sie ist die richtige für Winnetou, Naira weiß es und Mira auch." Sie steht auf und geht wieder. Tja, was soll man dazu sagen.Früher als sonst wache ich auf. Die letzte Nacht lastet immer noch stark auf mir. Doch es hilft nichts. Leider muss ich aufstehen. Nachdem ich meine Haare gemacht und meine Klamotten gewechselt habe, gehe ich raus. Einige Männer laufen durch die Gegend, die meisten Frauen und Kinder sind noch in ihren Zelten. Neugierig fange ich Ahiga, einen Krieger, ab. ,,Weiß man schon von wem die Spuren sind?" ,,Winnetou glaubt sie sind von den Kiowas oder Comanchen. Bis der Häuptling nicht Bescheid weiß, darf keiner das Lager verlassen. Auch nicht du, weißes Mädchen." Ich verdrehe die Augen, bedanke mich dann aber höflich und stehe unschlüssig herum. Arbeit gibt es noch keine. Also gehe ich zu den Pferden und setze mich auf den obersten Stamm. Silver hat eine komplette Schlammschicht auf seinem Fell. Es hat zwar ein paar Tage nicht mehr geregnet,aber diese Pfütze auf der Koppel ist so tief und zermascht, das trocknet so schnell nicht mehr. Mit einem Wiehern trabt er zu mir und kommt schlitternd zum stehen.
Mein Pferd legt seinen Kopf auf meinen Schoß. Eigentlich eine liebevolle Geste, wenn man allerdings bedenkt, dass Silver selbst am Kopf voller Schlamm ist, ist das Ganze dann doch nicht mehr so toll. ,,Du bist so ein Dreckskerl." Als ob er mich verstanden hätte schnaubt er und stampft auf den Boden.
,,Wie soll ich dich nur jemals wieder sauber kriegen", murmel ich und zupfe ihm einige große Dreckklumpen aus der Mähne. Schließlich wird ihm langweilig und er geht wieder.,,Mira, Mira, Mira." Überrascht drehe ich mich um, so gut das auf dem Zaun geht. Pati kommt auf mich zugerannt. Lächelnd springe ich vom Zaun.
,,Was gibt es?", frage ich und hocke mich vor sie, damit wir auf einer Augenhöhe sind.
,,Darf ich deine Haare machen?"
,,Also gut." Sie quietscht vergnügt auf und nimmt mich an der Hand um mich hinter ihr her zu ziehen. Sie legt ein Stück Leder vor ihr Zelt und ich setze mich drauf. Sofort fängt sie an mit einem Knochenkamm meine Haare durchzukämmen. Still sitze ich da, während sie an mir rumzupft. Für eine siebenjährige hat sie eine erstaunliche Feinmotorik. Doch so wie ich das mitbekommen habe, haben das alle Kinder hier. Ist ja auch kein Wunder, die werden von klein auf mit solchen Sachen erzogen. Schon krass wenn man bedenkt, dass Pati eine Feinmotorik auf dem Stand einer ungefähr zwölfjährigen aus meiner Zeit hat. Flink arbeiten sich ihre Händen über meine Kopfhaut. Am Ende befestigt sie den Zopf mit einem Lederband. Als sie fertig ist sieht sie mich bewundernd an. ,,Ich wünschte ich hätte deine Haare", seufzt sie. ,,Du hast auch wunderschöne Haare. Möchtest du auch eine Frisur?" Ihre Mundwinkel ziehen sich nach oben und sofort gibt sie mir ihren Kamm und setzt sich hin. Da ich in Frisuren nicht wirklich begabt bin, flechte ich ihr einfach einen Bauernzopf.
,,So bin fertig." Neugierig betastet sie ihre Frisur, ob sie diese schon kennt. Dann betrachtet sie sich so gut es geht in einer Schale Wasser. ,,Was ist das für eine Frisur?" ,,Man trägt sie da wo ich her komme. Gefällt sie dir?" Eifrig nickt sie.
,,Ich gehe sie Adain zeigen. Und meiner Familie." Damit hüpft sie fröhlich davon. Ich wünschte hier würde es Spiegel geben. Die Wasseroberfläche ist nicht wirklich ein Ersatz dafür.,,Warum hat Mira so schöne Haare?" Ich drehe mich um und sehe Winnetou hinter mir stehen. ,,Pati hat sie mir gemacht. Sie wollte es unbedingt." Seine Mundwinkel ziehen sich kurz nach oben, bevor er wieder ernst wird. ,,Wisst ihr schon von wem die Spuren sind?" Ich hab echt kein Bock mehr hier im Lager zu hängen. ,,Ein paar Krieger sind unterwegs. Solange sie nicht da sind wird Mira nicht weg gehen." ,,Ja schon klar. Sonst noch was?" Er sieht an mir runter und fängt wieder an zu grinsen. ,,Warum ist Mira so dreckig." Ich zucke mit den Achseln. ,,Frag mein Pferd", antworte ich und drehe mich um, zu den Pferden. Schon wieder wälzt Silver sich ausgelassen in der Dreckpfütze. Lautes Pferdegetrampel ist zu hören. ,,Die Krieger sind zurück. Winnetou muss los." Von meinem Standort aus, kann ich beobachten wie einige Männer hinter Winnetou ins Versammlungszelt gehen. Zu gerne würde ich wissen, was dort beredet wird. Doch Versammlungen sind für Frauen und Kindet tabu. Es sei denn man wird von Amatok persönlich eingeladen. Aber das hab ich in dieser Zeit, in der ich da bin, noch nie erlebt. Ich weiß es nur aus Erzählungen.

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Das weiße Mädchen
AdventureMira kommt, nach dem Tod ihrer Mutter, durch unerklärliche Weise nach Amerika. In die Zeit der Indianer. Nach Tagen, in denen sie alleine rumgeirrt ist, trifft sie auf einen Apachenstamm, der sie aufnimmt. Sie lernt die Indianische Sprache Lakota un...